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Montag, 12. Dezember 2022

Rücksicht wird großgeschrieben

Gegenseitige Rücksichtnahme ist für die Mitarbeiter im Werkhof gGmbH besonders wichtig. So schaffen viele den Sprung zurück ins Berufsleben.

Es war ein kurzer Moment der Unachtsamkeit. „Ich bin zuhause beim Laufen umgeknickt“, sagt Simona G. Der kleine Unfall im Jahr 2017 stellte ihr Leben auf den Kopf. „Mein Knie hatte sich gedreht und die Bänder waren gerissen.“ Im Krankenhaus kümmerte man sich um die alleinerziehende Mutter eines Kleinkinds. „Man machte mir von Anfang an wenig Hoffnung, dass das Knie wieder komplett belastbar werden würde.“ Um ihre Tochter kümmerten sich derweil die Eltern, aber Simona G. wollte so schnell wie möglich wieder nach Hause. Dort war sie dann zwei Monate lang bettlägerig. Eine Haushaltshilfe kam und kümmerte sich um das Nötigste. „Ich habe ein tolles Mädchen“, sagt sie und berichtet davon, dass sich ihre Tochter schon als kleiner Steppke um die kranke Mama liebevoll gekümmert hat.

Das Knie heilte halbwegs, aber es war klar, es würde kein zurück ins alte Berufsleben geben, aus dem Simona G. ohnehin schon ausgeschieden war, nachdem ihre Tochter geboren wurde. „Wenn man alleinerziehend ist, ist es extrem schwer, beruflich tätig zu sein“, sagt sie. Man bekomme von Arbeitgebern kaum eine Chance. Mit ihrem zusätzlichen Handicap, nun weniger belastbar zu sein, schien die Lage für die pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte aussichtslos. „Ich wollte aber unbedingt wieder arbeiten.“

Als ihre Tochter in die Schule kam und die Betreuung damit leichter wurde, bekam Simona G. die Chance an der Maßnahme „Blickpunkt Beruf“ ihres Jobcenters teilzunehmen und kam so zum Werkhof. Ein Jahr lang sollte sie die Schulbank drücken und Neues lernen. Zu der Maßnahme gehören auch praktische Einsätze. „Ich hatte schon in einer Bäckerei gearbeitet und daher Erfahrungen im Verkauf sammeln können“, sagt sie. Daher entschied sie sich für ein Praktikum im Gebrauchtwarenhaus. 

„Ich wurde dort von den anderen Mitarbeitern herzlich aufgenommen“, erinnert sie sich. Von Anfang an wurde von ihren Vorgesetzten und im Team Rücksicht auf sie genommen. „Das hat sehr gutgetan und es hat mich motiviert.“ Verkaufsleiter Noel Hartmann sorgte für einen passenden Arbeitsplatz mit Schreibtisch und Laptop, der etwas abgeschottet vom Verkaufstrubel ist. Simona G. kümmert sich seither um die Preisermittlung der Flohmarktware, vergleicht deren Wert und sortiert. Immer wieder ist sie auch im Verkauf tätig und berät Kunden. „Ich habe gern den Kontakt zu Kunden“, betont sie. Aktuell ist sie oft im Weihnachtsmarkt im Gebrauchtwarenhaus anzutreffen. Dort spricht sie mit den Kunden und hat immer ein offenes Ohr für sie. 

Bei ihrer Tätigkeit kann sie frei einteilen, ob ihr sitzen, gehen oder stehen gerade guttun. „Das ist perfekt für mich.“ Zudem nehmen die Kollegen Rücksicht darauf, dass sie alleinerziehend ist und daher nicht so flexibel eingesetzt werden kann. „Die stellvertretende Verkaufsleiterin Angela Weber sagt mir immer, wir schaffen das“, erklärt sie. „Hier legt man mir keine Steine in den Weg, sondern hilft mir.“ Seit 1. Oktober ist Simona G. im Werkhof festangestellt und fühlt sich wohl mit ihrer neuen Tätigkeit. Nur eins würde sie sich wünschen: „Wir hier im Werkhof sind ganz normale Menschen und wollen von anderen, die es im Leben leichter hatten, nicht abgestempelt werden.“
Der Artikel ist erschienen in der Dezember Ausgabe des Sozialmagazin Donaustrudl.

 

Text und Fotos: Martina Groh-Schad